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03 Mai 2006

Der UNO-Sicherheitsrat ist entscheidend

DLF: Bundeskanzlerin Merkel wird ja heute in Washington zu Gesprächen mit US-Präsident Bush erwartet. Sollte sie Bush dazu drängen, direkte Gespräche auch über das Atomprogramm des Iran zu suchen?

Polenz: Das sollte sie tun. Sie sollte es natürlich in einer Weise tun, dass die Botschaft auch ankommt. Das heißt als Bundeskanzlerin muss sie das nicht unbedingt öffentlich machen. Ich habe das öffentlich getan, weil ich sehr davon überzeugt bin, dass die diplomatische Lösung, die ja alle, auch die Amerikaner wollen, letztlich eine direktere amerikanische Beteiligung erfordert, denn Iran wird nur dann in eine Gesamtlösung einwilligen und wir werden uns nur dann darauf verlassen können, dass sich Iran auch an die Abmachungen hält, wenn gleichzeitig Sicherheitsfragen in der Region angesprochen werden können, auch die Frage welche Rolle Teheran denn eigentlich in der Region spielen soll. Für beide Fragen sind die Amerikaner entscheidend.

DLF: Sie befinden sich ja gerade in Teheran. Dort erreichen wir Sie. Sie führen dort Gespräche auch über die Beilegung des Streits mit dem Iran über das Atomprogramm. Welche Signale haben Sie aus den bisherigen Gesprächen mitgenommen?

Polenz: Zum einen ist mein Eindruck, dass in Teheran immer noch das Gefühl vorherrscht, es seien vor allen Dingen nur die USA und die Europäer, die hier von Teheran im Nuklearstreit etwas verlangen würden. Man sagt mir, andere Länder im Gouverneursrat seien nur unter großem Druck bereit gewesen, diese Resolution zu unterschreiben, und es kommt sehr darauf an, in der Zukunft Teheran klar zu machen, dass dies eine Fehleinschätzung ist, dass auch die Chinesen, auch die Russen, die Brasilianer, die Ägypter und alle anderen nicht wollen, dass Teheran ein Nuklearwaffenstaat wird, und dass sie bis heute ihre Zweifel haben, ob das nun wirklich ausgeschlossen ist, und dass Teheran etwas tun muss, um der internationalen Staatengemeinschaft diese Sicherheit zu geben. Das scheint mir sehr entscheidend und dafür ist die weitere Geschlossenheit der Staatengemeinschaft ein ganz entscheidender Punkt.

DLF: Glauben Sie denn, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die anderen Vetomächte, also Russland und China, mitziehen, wenn es um Sanktionen geht?

Polenz: Das kann ich nicht abschließend beurteilen. Die öffentlichen Stellungnahmen deuten ja auf etwas anderes hin. Auf der anderen Seite haben auch die Chinesen, auch die Russen - ich habe das bei meinen Besuchen in Peking und Moskau erfahren - sehr deutlich gemacht, sie wollen keinen nuklear bewaffneten Iran. Sie wollen, dass der Atomwaffensperrvertrag eingehalten wird. Dann müssen sie auch selber Vorschläge machen, wie wir das erreichen können. Diese Gespräche finden jetzt statt. Ich glaube man wird sich auch auf eine Resolution verständigen können. Ich fände es wichtiger, dass es bei der Einstimmigkeit bleibt, auch im nächsten Durchgang, die wir im ersten Durchgang im Sicherheitsrat hatten. Das ist aus meiner Sicht sogar wichtiger als eine vielleicht etwas härtere Resolution, bei der es dann Enthaltungen oder sogar Gegenstimmen gibt und vielleicht ein Veto nur knapp vermieden werden kann. Also die Einstimmigkeit im Sicherheitsrat, die sollte auch in Zukunft erhalten bleiben.

DLF: Das heißt also auch, besser auf Sanktionsandrohungen oder auf die Androhung von Wirtschaftssanktionen beispielsweise zu verzichten?

Polenz: Ich denke schon, dass die russische, die chinesische Seite, die in dieser Frage im Augenblick noch sehr zurückhaltend sind, sich mit dem Gedanken vertraut machen müssen, was passiert denn, wenn Iran den verbalen Bekundungen, die sich in Resolutionen des Sicherheitsrates dann wieder finden, einfach die kalte Schulter zeigt. Das kann auch Russland, auch China nicht gefallen. Deshalb wird man auch mit diesen Ländern darüber sprechen müssen und ich denke sie werden sich letztlich dort nicht verschließen können, dass dann der Druck erhöht werden muss. Aber in welcher Art und Weise das dann geschieht, das ist noch mal eine andere Frage. Da brauchen wir diese Länder auch an Bord. Sehen Sie die einzigen Sanktionen, die mir in der Geschichte bekannt sind, die wirklich gewirkt haben, waren die damals gegen Südafrika. Damals war die Weltgemeinschaft einig und hat auch gemeinsam durchgehalten. Wenn Sanktionen, dann können sie nur nach diesem Muster wirksam sein. Das sollten wir in Erinnerung behalten.

DLF: Ist der Westen beim Thema Wirtschaftssanktionen auch deshalb so zurückhaltend, weil der Iran den Spieß umdrehen könnte?

Polenz: Sanktionen gerade im wirtschaftlichen Bereich haben immer zwei Seiten, aber da würde ich sagen das Risiko, was wir mit den Maßnahmen jetzt ausschließen wollen, und die Ziele, die wir erreichen müssen, sind ja auch sehr, sehr hoch und sehr, sehr wichtig. Sehen Sie ein nukleares Wettrüsten hier in dieser spannungsreichen Region, das wäre wirklich ein Albtraum. Dafür muss man dann möglicherweise auch mal mit dem einen oder anderen wirtschaftlichen Interesse für eine Zeit zurückstehen, wenn das denn zum Ziel führt.

DLF: Von der iranischen Seite, Herr Polenz, ist an Deutschland der Wunsch herangetragen worden, eine Vermittlerrolle zu spielen. So melden es zumindest die Agenturen. Sollte Deutschland auf dieses Angebot eingehen?

Polenz: Nein, das kann Deutschland nicht sein. Wir sind in dieser Frage nicht irgendwie zwischen Teheran und dem Rest der Weltgemeinschaft, sondern wir gehören zur Weltgemeinschaft, zu den Europäern, zu den Amerikanern, Russen, Brasilianern, allen, die dem Iran klar machen wollen, dass der Nuklearkurs hier geändert werden muss. Wir sind also, wenn Sie so wollen, bei der Partei der Weltgemeinschaft und können da nicht vermitteln. Was wir tun können ist, mit unseren Möglichkeiten auf Teheran einzuwirken, dass der Iran einlenkt.


Die Kernaussage des zitierten, heutigen Interviews vom Deutschlandfunk mit Ruprecht Polenz, daß der UNO-Sicherheitsrat als entscheidend angesehen wird, ist nichts Neues, beinhaltet aber auch, daß Deutschland eine Lösung ohne russisches und chinesisches Einverständnis im Sicherheitsrat ausschließt. Damit hat die Bundesregierung implizit auch eine Beteiligung an einer amerikanischen "Coalition" ohne UN-Mandat ausgeschlossen, oder irre ich mich da?