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11 Mai 2006

Die Eindämmung Chinas

Während Bushs Vorgänger Bill Clinton die Annäherung an China suchte, die wirtschaftlichen Beziehungen ausbaute und die Volksrepublik zum strategischen Partner erklärte, wollte Bush von Partnerschaft nichts mehr wissen. Seine nachmalige Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, die inzwischen zur Außenministerin aufgestiegen ist, hatte bereits im Vorfeld des Präsidentschaftswahlkampfes in einem viel beachteten Artikel im außenpolitischen Fachblatt Foreign Affairs die Linie vorgegeben. Wirtschaftliche Kooperation schon, aber vor allem Contaiment, das heißt, Einkreisen (...)
Das wurde schon Anfang der 1990er Jahre unter der Regierung Bush Senior deutlich. Paul Wolfowitz, seinerzeit Staatssekretär (Under Secretary) im US-Verteidigungsministerium, von 2001 bis 2005 Vizeverteidigungsminister und inzwischen Chef der Weltbank, sorgte 1992 für weltweite Aufregung. Er war der Autor eines ersten Entwurfs neuer Verteidigungspolitischer Richtlinien, die an die Presse durchsickerten und in vielen Hauptstädten rund um den Globus für Empörung sorgten. Erstmalig hatte ein US-Regierungsmitglied nach dem Ende des kalten Krieges in aller Offenheit klargestellt, dass man von internationaler Kooperation nur bedingt überzeugt ist, und die Aufrechterhaltung der US-Dominanz oberste Priorität hat. Folglich solle die Militärpolitik darauf abzielen, das Aufkommen neuer Regionalmächte zu verhindern. Notfalls mit "vorbeugenden" Kriegen (...)
Clinton vermied zwar meist konfrontative Rhetorik, hatte aber keine Skrupel, während des Krieges gegen Jugoslawien 1999 die chinesische Botschaft in Belgrad bombardieren zu lassen. Auch in Ostasien konnte in der Regierungszeit Clintons nicht von wirklicher Entspannung die Rede sein. Unter anderem wurden die Grundlagen für die Entwicklung von Raketenabwehrsystemen gelegt, mit denen die USA Südkorea, Taiwan und Japan beglücken will.
Die Kurswende im Frühjahr 2001 kam daher nicht gerade überraschend und wurde in Beijing eher pragmatisch aufgenommen. Nun hatte man es zumindest mit einem Gegenüber zu tun, der Klartext redete, und ansonsten dem Geschäft eben so wenig abgeneigt war, wie sein Vorgänger. Den Rest mag die Zeit bringen, die nicht unbedingt zu Chinas Nachteil arbeitet (...)
Doch seit etwas mehr als einem Jahr ist es mit der Ruhe in Ostasien vorbei. Seitdem lancieren Verteidigungsministerium und Geheimdienst CIA in unregelmäßigen Abständen laute Alarmrufe über die chinesische Aufrüstung. Gleichzeitig hat die US-Regierung alte Pläne wiederbelebt, auf Chinas Eindämmung zielende Bündnisse in der Region zu bilden. In Japan koinzidiert das mit Plänen der dortigen Eliten, die Außenpolitik des Landes zu remilitarisieren und sich der nach dem Zweiten Weltkrieg geschriebenen pazifistischen Verfassungsvorschriften zu entledigen (...)
Geht es nach den Vorstellungen Washingtons, soll die Militärachse Washington-Tokio, die derzeit geschmiedet wird, zu einem Dreieck mit Seoul ausgebaut werden, wie Rice es bereits 2000 in "Foreign Affairs" skizziert hatte. Derzeit ist allerdings noch fraglich, ob Südkorea dazu bereit ist. Dort ist nicht nur die Opposition gegen die US-Militärstützpunkte im Land besonders stark, noch stärker ist die gesellschaftliche Abneigung gegen die Remilitarisierung Japans, das das Land fast 45 Jahre lang einem brutalen Kolonialregime unterworfen hatte und mit dem erst jüngst wieder alte territoriale Streitigkeiten aufgebrochen sind. Zudem gerät Südkorea durch den Boom in China und die Erneuerung dessen kulturellen Einflusses immer mehr in den Bann des großen Nachbarn.
Etwas mehr Verlass ist da schon auf das konservativ regierte Australien, zumindest vorerst. Nicht nur im Irak steht es treu an der Seite der USA, sondern auch in Bushs Allianzen gegen China lässt man sich willig einbinden. Auch hier ist allerdings fraglich, wie einig sich die australischen Eliten in dieser außenpolitischen Orientierung sind. Australien glänzt nämlich ökonomisch vor allem durch den Export von Erzen und anderen Rohstoffen und profitiert daher in erheblichem Umfang vom Dauerboom in China. Könnte allzu gut sein, dass eine Labour-Regierung den australisch-US-amerikanischen Honeymoon beenden würde, zumal die Beteiligung am Irak-Krieg denkbar unpopulär ist (...)
Der Bericht benennt darüber hinaus Indien als einen Strategischen Partner, auch diese Orientierung hatte sich bereits vor sechs Jahren in Rice Artikel in "Foreign Affairs" gefunden. Entsprechend hat die USA in den letzten Jahren viel Aufwand betrieben, Indien auf seine Seite zu ziehen. Zuletzt hat Bush Neu Delhi versprochen, es künftig mit Technik für seine Atomkraftwerke zu beliefern, obwohl das Land nicht dem Nichtverbreitungsvertrag (NPT) beigetreten ist ([local] Sonderrechte nur für Freunde). Unklar ist allerdings noch, ob das Washingtoner Parlament und die NPT-Signatarmächte diesen Schritt gut heißen.
Indien nimmt jedenfalls die Segnungen der neuen US-Freundschaft gerne an, unterhält aber gleichzeitig auch glänzende Beziehungen zu China. Die beiden Nachbarn haben in Folge eines seinerzeit von der Volksrepublik 1962 vom Zaun gebrochenen Krieges noch ein paar Grenzstreitigkeiten, aber der Austausch von Waren, Dienstleistungen und auch Investitionen entwickelt sich rasant. Langfristig strebt man eine Freihandelszone an und selbst gemeinsame Militärmanöver sind bereits möglich. Auch hier ist die bisherige Bilanz der US-Avancen also eher durchwachsen.


Die amerikanische Containment-Politik gegenüber China ist bisher, wie im zitierten Text dargestellt, mit wenig Erfolg verlaufen. Den Iran als wichtigsten Energielieferanten Pekings zu beseitigen, wäre daher ein großer Erfolg. Andererseits bedeutete dies eine offene Konfrontation mit der SHO und würde sicherlich die Handelsbeziehungen der USA mit diesen Ländern empfindlich stören.